Herzlich Willkommen auf der Homepage zum Projekt „Nachverfolgung von Rehabilitationsempfehlungen im Rahmen der Pflegebegutachtung“!
Hintergrund
Die bundeseinheitliche Einführung des optimierten Begutachtungsstandards (OBS) zur Beurteilung rehabilitativer Bedarfe im Rahmen der Pflegebegutachtung am 01.01.2015 führte zu einem Anstieg von Rehabilitationsempfehlungen, die Versicherten im Zuge der Beantragung von Pflegeleistungen ausgesprochen wurde. Es hat sich gezeigt, dass etwa 40% der Versicherten mit einer Rehabilitationsempfehlung einer Antragstellung auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation zustimmen und insgesamt etwa jede vierte Empfehlung in einer in Anspruch genommenen Rehabilitationsleistung mündet.
Ziel- und Fragestellung
Ziel dieses Projektes war es, die Gründe der fehlenden Zustimmung von Versicherten zur Rehabilitationsempfehlung in Folge einer Pflegebegutachtung sowie Gründe des Nichtantritts einer bewilligten Rehabilitationsleistung zu eruieren. Folgende zentrale Forschungsfragen wurden dazu bearbeitet: (1) Welche Faktoren beeinflussen, ob die im Rahmen der Pflegebegutachtung ausgesprochenen Rehabilitationsempfehlungen in einen Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 14 SGB IX in Verbindung mit § 31 Abs. 3 SGB XI münden? und (2) Welche Faktoren beeinflussen, ob die aus einer Pflegebegutachtung resultierenden, bewilligten Rehabilitationsmaßnahmen tatsächlich vom Versicherten in Anspruch genommen werden?
Methodik
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden leitfadengestützte Experten*inneninterviews mit Gutachter*innen der Medizinischen Dienste, mit Sachbearbeiter*innen und Teamleiter*innen der Pflege- und Krankenkassen sowie mit Pflegeberater*innen der Pflegekassen durchgeführt. Mit Ausnahme der Gutachter*innen der Medizinischen Dienste, die mehrheitlich persönlich vor Ort interviewt wurden, fanden die Interviews telefonisch statt. Die Gespräche wurden als Tonaufnahme aufgezeichnet, wortgemäß transkribiert und pseudonymisiert. Der Umgang mit personenbezogenen und erhobenen Daten wurde in einem Datenschutzkonzept ausführlich beschrieben. Die Datenauswertung erfolgte mithilfe der Analysesoftware MAXQDA nach der Methode der systematischen Textverdichtung.
Ergebnisse
Im Zeitraum von April bis Juni 2019 wurden Expert*inneninterviews mit insgesamt 56 Mitarbeiter*innen aus fünf Medizinischen Diensten (n=12), zehn Pflegekassen (n=21) und elf Krankenkassen (n=23) durchgeführt. Für die Zustimmung der Versicherten zur Rehabilitationsempfehlung und damit für die Auslösung eines Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Forschungsfrage 1) spielen aus Sicht der Prozessakteur*innen neben soziodemografischen und persönlichkeitsbezogenen Merkmalen sowie gesundheitlichen und finanziellen Aspekten insbesondere rehabilitationsbezogene Erwartungen, Ängste und Präferenzen der Versicherten eine Rolle. Versichertenseitige Wünsche beziehen sich dabei vor allem auf die Rehabilitationsform, eine bestimmte Klinik, den Ort bzw. die Region, eine Begleitperson oder die Verfügbarkeit von Einzelzimmern. Ebenfalls von Bedeutung sind die häusliche Bindung der Versicherten und die Unterstützung ihres sozialen Netzwerks. Einflussfaktoren einer Antragsauslösung, die sich aus dem Bearbeitungsverfahren ergeben, beziehen sich im Wesentlichen auf die unzureichende rehabilitationsbezogene Information und Beratung der Versicherten entlang des gesamten Leistungsprozesses sowie die Einbindung in den Entscheidungsprozess.
Einflussfaktoren auf die tatsächliche Inanspruchnahme bewilligter medizinischer Rehabilitationsleistungen (Forschungsfrage 2) sehen die Prozessakteur*innen vor allem in einem zwischenzeitlich veränderten, insbesondere (akut) verschlechterten Gesundheitszustand der Versicherten sowie in Diskrepanzen zwischen den bewilligten Rehabilitationsleistungen und den rehabilitationsbezogenen Wünschen der Versicherten. Zu diesem Zeitpunkt können auch verfahrensseitige Faktoren dazu führen, dass Diskrepanzen entstehen und nicht aufgelöst werden können. Darüber hinaus haben Angehörige offenbar einen großen Einfluss auf die Entscheidung der Versicherten eine Rehabilitation in Anspruch zu nehmen.
Schlussfolgerungen
Die generierten Hypothesen zu Versichertenmotiven der (Nicht-)Inanspruchnahme empfohlener Rehabilitationsleistungen sowie zu verfahrensseitigen Einflussfaktoren dienen als Grundlage für Empfehlungen, um die Begutachtungs- und Beratungsprozesse bei Versicherten mit einer Rehabilitationsindikation gezielter adressieren zu können. Zusätzlich sind auch verfahrensexterne Aspekte wie eine nicht flächendeckend verfügbare rehabilitative Angebotsstruktur für die betrachtete Zielgruppe zu berücksichtigen.